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SAP treibt Beschäftigte an

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14.02.2012 Man hätte darauf wetten mögen: SAP legt das beste Jahresergebnis ihrer Geschichte hin - und was müssen wir uns von unseren Co-CEOs anhören? "Accelerate!". In der Ruhe liegt die Kraft!

Nicht wirklich überraschend, steht doch diese Botschaft in fast jeder ihrer vorgefertigten e-Mails in schöner, wir sind geneigt zu sagen, langweiliger, Regelmäßigkeit. Hier ein kleiner Überblick seit 2010:

Noch vom "Office of the Co-CEOs":

*06.04.2010 "The adjustments are designed to simplify SAP, accelerate innovation, improve execution and drive customer centricity through an empowered workforce."..." To accelerate SAP's growth and success in the market, the Board has approved a series of "Game Changers"" In der deutschen Version: "Um unser Wachstum zu beschleunigen, hat der Vorstand eine Reihe sogenannter "Game Changers" entwickelt."

*13.05.2010 "We will leverage this acquisition to accelerate the execution of our strategy"
*20.05.2010 "We seized the opportunity to accelerate the transformation of SAP"
*03.08.2010 "Our product strategy focusing on four areas - On Premise, On Demand, On Device and Orchestration - is accelerated by several game changer solutions, including SAP Business ByDesign."
*17.09.2010 "To accelerate the execution of our strategy, we look to our game changers to revolutionize the market,"
*06.10.2010 "To accelerate the mobilization of SAP solutions, a new Mobile Business Unit has been formed"
*10.02.2011 "We have momentum and we have decided to accelerate that momentum."... "To accelerate our progress we must continue to bring ideas to market faster."..."We are accelerating our momentum"

Ab hier endlich vereint als "Office of the CEOs":

*28.04.2011 "We fully expect to showcase our new innovations that will build our pipeline and accelerate our business for the year."
*26.10.2011 "to deliver accelerated innovation"... "momentum is accelerating around our innovations."
*29.11.2011 "The survey results are further motivation to accelerate our efforts to become the best SAP." In der deutschen Version: "Wir können unsere Anstrengungen, die SAP zu neuen Höhen zu führen, weiter beschleunigen und müssen jetzt die Gunst der Stunde nutzen."
*03.12.2011 "Today, we are complementing and accelerating our cloud offering" ... "will need all of you to accelerate the success"
"Double our effort" hätte es auch heißen können, wie Bill sich einmal ausgedrückt hat, als er meinte, dass er und/oder wir alle doppelt so viel arbeiten sollten. Wobei sich dann die Frage aufdrängt, was er eigentlich vorher gemacht hat. Vielleicht verzichtet er deshalb auf eine Wiederholung solch unnötiger Übertreibungen?

Wir könnten uns entspannt zurücklehnen und das alles als "Managementgeschwafel" abtun, was im Zuge der "Amerikanisierung" eben Einzug in unsere Kultur gehalten hat, getreu dem Motto:

Wer nimmt schon diese Floskeln ernst, die der Vorstand bzw. die Presseabteilung in solcher Regelmäßgikeit an uns heranträgt?

Tatsächlich aber weisen alle Indikatoren der letzten Jahre auf deutlich steigende Belastungen bei den SAP-Beschäftigten hin. Der Anteil der Langzeiterkrankten ist stark gestiegen, zusätzlich der Anteil derer, die psychisch erkrankt sind. Der Gesamtkrankenstand hat sich verdoppelt.

Die Lean-Umfrage hat das vierte Mal in Folge eine gestiegene Belastung ergeben, nachdem die DIWA-IT Untersuchung schon gezeigt hatte, dass sich die Mehrheit an der Grenze ihrer Belastbarkeit fühlt. In der letzten weltweiten Mitarbeiterbefragung (ES2011) waren 39% der Meinung, ihre Arbeit bei SAP würde ihre Gesundheit ernsthaft gefährden! Das steht im krassen Gegensatz zu den Sonntagsreden des SAP-Vorstands und dem vermeintlichen Geschwafel!

Die gute Nachricht: Individuelle Beschleunigung ist völlig unnötig!

Tatsächlich sind schon in kleineren Organisationen kollektiver (Firmen-)Erfolg und individuelle Belastung nur sehr wenig korreliert bzw. voneinander abhängig, wie das Beispiel des Seilziehens veranschaulicht. Die Produktivität in der langen Geschichte der Industrialisierung ist deshalb nicht gestiegen, weil wir alle mehr und mehr und schneller und schneller arbeiten - das Gegenteil ist der Fall!

Die individuellen Belastungen entstehen bei SAP v.a. weil motivierte Mitarbeiter die Reibungsverluste durch unklare Verantwortlichkeiten, vorgebene Takte und unsinnige Ziele, schlechte Prozessdefinitionen und potemkinscher Dörfer aller Art durch erhöhten, häufig vergeblichen, persönlichen Einsatz versuchen auszugleichen.

SAP erinnert immer mehr an einen kurzsichtigen Schneider, der versucht, einen Faden durch das Nadelöhr zu fädeln und - anstatt sich seine Brille zu holen - den Versuch beständig, aber immer schneller wiederholt.

In der Ruhe liegt die Kraft! Anstatt heroisch an den einzelnen zu appellieren, gegen alle Widrigkeiten und um jeden Preis, v.a. der eigenen Gesundheit, SAP "zu retten", sollte SAP wieder individuelle Handlungsspielräume schaffen, die ganz natürlicherweise von motivierten Mitarbeitern ausgenutzt werden.

SAP sollte wieder das Expertentum anerkennen. Wenn sie Austauschbarkeit anstrebt, dann nur durch zusätzliche, gleichartige Qualifizierung auf möglichst hohem, nicht durch Dequalifizierung auf möglichst niedrigem Niveau.

SAP sollte die völlig ineffektiven Instrumente der indirekten Steuerung wie etwa Boni zurückfahren und wieder den Mitarbeitern vertrauen.

SAP sollte Sorge tragen, dass nicht so derart viel unserer kollektiven Anstrengung umsonst ist.

SAP's laserscharfer Fokus auf Effizienz verstellt den viel wichtigeren Blick auf Effektivität: Es ist viel besser das Richtige zu tun, vielleicht ein wenig falsch, als das Falsche, dafür aber richtig!

Mit entschleunigtem Gruss

PS: Am Donnerstag spricht der Aufsichtsratsvorsitzende in Walldorf über das Thema Innovation. Steht das im Widerspruch zur permanenten Beschleunigung?

Letzte Änderung: 21.03.2013

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