Beispiele dafür gibt es reichlich. Ein früherer Arbeitsdirektor forderte von seinen Mitarbeitern, dass sie 7 mal 24 Stunden erreichbar und Mails spätestens nach zwei Stunden beantwortet sein müssen. Oder ein Vorstandssprecher (Jahresbezüge über 6 Mio. Euro) forderte nach der Verkündigung der besten Quartalszahlen aller Zeiten den doppelten Arbeitseinsatz von den SAP-Beschäftigten. Ein neues Vorstandsmitglied forderte kürzlich die verpflichtende Teilnahme, die dokumentiert werden sollte, bei einem weltweiten Meeting, das um 19 Uhr begann. Daran sehen wir einen klaren Missbrauch der Vertrauensarbeitszeit (40 Stunden/Woche) und Nichtbeachtung von gesetzlichen Regelungen.
In regelmäßig versendeten Mails der SAP-Vorstände wird noch mehr Schnelligkeit gefordert, um die angestrebte Rendite von unglaublichen 35% bis 2015 zu erreichen. Dazu müssen die SAP-Beschäftigten die sowieso viel zu hoch gesteckten und vorgegebenen Zielsetzungen unausgesprochen mehr als übererfüllen, sonst gibt's mehr Druck. In der SWR-Sendung "Wer nicht ausschaltet, brennt aus." äußerte sich dazu ein früherer SAP-Betriebsarzt kritisch.
Die Bundesarbeitsministerin fordert vom Arbeitgeber: "Es muss ganz klare Regeln innerhalb eines Betriebes geben was Handykultur Mailverkehr angeht. Diese Regeln müssen vom Arbeitgeber gesetzt werden, aber auch von den Beschäftigten gelebt werden." Das ist der falsche Ansatz.
Privat muss auch privat bleiben - alle Beschäftigten haben das Recht, in der wohlverdienten Freizeit unerreichbar zu sein. Die Appelle von der Arbeitsministerin sind also keine Innovation, sondern eine Selbstverständlichkeit und greifen deutlich zu kurz.
Beim Schutz vor psychischen Gefährdungen geht es um viel mehr als darum, dass von Beschäftigten keine permanente Erreichbarkeit abverlangt werden darf. Die Ministerin muss endlich auch andere arbeitsbedingte Stressfaktoren in den Blick nehmen wie beispielsweise stetige Arbeitsverdichtung, überlange Arbeitszeiten, unerfüllbare Leistungs- und Zielvorgaben oder ungesunde Arbeitszeitmodelle.
Abhilfe kann nur eine Anti-Stress-Verordnung mit einem ganzheitlichen Ansatz im Arbeitsschutz bringen insbesondere konkret im Bereich der psychischen Gefährdungen. Was fehlt, sind eine Verordnung und technische Regelungen, die den Unternehmen klare Vorgaben beim Umgang mit psychischen Belastungen am Arbeitsplatz an die Hand geben und die Aufsichtsbehörden in die Lage versetzen, hier tätig zu werden.
Öffentlichkeitswirksame Appelle an die Arbeitgeber sind zu wenig! Die Ministerin sollte endlich handeln und damit das Thema im Sinne der betroffenen Beschäftigten ernst nehmen.
Bei SAP wird die Verantwortung und die Konsequenzen allein auf den Beschäftigten übertragen wie ein Bericht im Mannheimer Morgen aufzeigt.
Vorbildlich ist die Regelung, die der IG Metall Betriebsrat vom DAX-Unternehmen Volkswagen mit der "Blackberry-Pause" durchgesetzt hat: "Aus der Belegschaft
und vom Unternehmen selbst kommen nur positive Reaktionen", sagte der Konzernbetriebsrats-Vorsitzende Bernd Osterloh.
Die IG Metall begrüßt strengere Regeln. "Frau von der Leyen kann sich nicht aus ihrer eigenen Verantwortung stehlen, selbst für klare und verbindliche Regeln im Arbeitsschutz zu sorgen. Schlichte Appelle an die Arbeitgeber reichen nicht", sagte Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.