Die Hightech-Schmiede SAP hat sich die cloud-basierte Software für Personalmanagement SuccessFactors einverleibt. Diese verwaltet nicht nur Personaldaten, sondern ermöglicht es, die Mitarbeiterentwicklung mit Unternehmenszielen zu verknüpfen. Die Unternehmensstrategie wird so in den operativen Beschäftigtenalltag eingebettet. Beim internen Einsatz können die SAP-Angestellten so schon mal hautnah spüren, was eine angestrebte Gewinnmarge von 35 Prozent für jeden einzelnen bedeutet. Nunmehr ist es an den Betriebsräten, dem software-gestützten Verheizen von Mitarbeitern Einhalt zu gebieten.
SAP kaufte im Jahr 2012 das junge nordamerikanische Unternehmen für Personal-Software SuccessFactors für über 3,4 Milliarden US-Dollar. Es ist hinlänglich bekannt, dass Aufkäufe oder Übernahmen kaum Synergieeffekte, jedoch erhöhte Kosten verursachen. Die hochqualifizierten SAP-Beschäftigten bekamen dies sofort zu spüren. Sie sollen sparen und "Kosten" vermeiden.
Aufsichtsrat und Vorstand setzten sich zum Ziel, die "Cloud"-Software auch intern sofort einzusetzen und starteten nach einigen Monaten Pilotprojekte zur Einführung von SuccessFactors an Standorten außerhalb Deutschlands. Dies erhöhte auch den Druck auf die Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin zum Abschluss von Betriebsvereinbarungen zu Themen wie "Talent Management", "Potenzialbeurteilung", "Mitarbeiterentwicklungsgespräch" und Ressourcen-Einsatzplanung.
In monatelangen Meetings gab es wenig inhaltliche Annäherung bei den kritischen Fragen, bis sozusagen kurz vor Schluss, nachdem die Verhandlungen starteten, der auferlegte Termin-Druck (des Aufsichtsratsvorsitzenden) auf der Arbeitgeberseite so hoch wurde, dass von der Arbeitgeberin die Einigungsstelle angerufen wurde.
Individualisieren stärkt "indirekte Steuerung"
Schon in der Präambel zum "Integrierten Talent Management" steht geschrieben, dass es "ein Fundament für eine ganzheitliche Betrachtung des Mitarbeiters" liefert und eine erfolgreiche Leistung des Mitarbeiters unterstützt. Es sollen einerseits "Hauptaufgaben abgeleiteter individueller Ziele" und andererseits "SAP-Werte in ihrer jeweiligen Konkretisierung durch ausdrücklich benannte Verhaltenskompetenzen aus dem jeweiligen Jobprofil des Mitarbeiters" umgesetzt werden. Dies hat dann entscheidende Bedeutung auf Gehaltserhöhung, Einstufung auf der Leistungsskala der Leistungs- und Potenzialmatrix und auf Aktienprogramme. Weiter erfolgt die Leistungsplanung "unter Berücksichtigung der persönlichen und betrieblichen Situation des Mitarbeiters". Jederzeit kann ein Statusgespräch stattfinden und der Leistungsplan geändert sowie mindestens einmal im Jahr eine Zwischenbeurteilung durchgeführt werden.
Schulnoten für SAP-Beschäftigte
Die jeweilige Führungskraft nimmt anhand ihrer eigenen Einschätzung eine Leistungsbeurteilung der einzelnen Mitarbeiter mit Hilfe von folgenden fünf "Schulnoten" vor:
- Herausragende Leistung: Während des Betrachtungszeitraums übertrafen die Leistungen des Mitarbeiters stets alle Jobanforderungen und die vereinbarten Ziele deutlich. Der Mitarbeiter verhielt sich gemäß der vereinbarten SAP-Werte in herausragender Weise und diente als Vorbild für diese Werte.
- Überdurchschnittliche Leistung: Während des Betrachtungszeitraums erfüllte der Mitarbeiter nicht nur alle Jobanforderungen und die vereinbarten Ziele, sondern übertraf die vereinbarten Ziele in einigen Bereichen deutlich. Der Mitarbeiter verhielt sich gemäß der vereinbarten SAP-Werte in außergewöhnlicher Weise.
- Erfolgreiche Leistung: Während des Betrachtungszeitraums erfüllte der Mitarbeiter alle oder die meisten Jobanforderungen und erreichte alle oder die meisten vereinbarten Ziele. Hinsichtlich der übrigen Ziele und Jobanforderungen befand sich der Mitarbeiter auf gutem Weg. Der Mitarbeiter verhält sich entsprechend aller oder der meisten vereinbarten SAP-Werte. Hinsichtlich der übrigen vereinbarten Werte befand sich der Mitarbeiter auf einem guten Weg.
- Entwicklungsfähige Leistung: Während des Betrachtungszeitraums erfüllte der Mitarbeiter einige Jobanforderungen und erreichte einige der vereinbarten Ziele nicht und/oder verhielt sich nicht vollumfänglich entsprechend der vereinbarten SAP-Werte. Der Mitarbeiter ist motiviert, die von ihm erwarteten Leistungen zu erbringen und weist unter Umständen noch nicht alle erforderlichen Fähigkeiten und Erfahrungen auf, um eine erfolgreiche Leistung zu sein.
- Unzureichende Leistung: Während des Betrachtungszeitraums erfüllte der Mitarbeiter jeweils die Jobanforderungen und die vereinbarten Ziele unzureichend oder nicht und/oder er verhielt sich nicht gemäß der vereinbarten SAP-Werte. Der Mitarbeiter zeigte mangelnde Motivation, um ausreichende Arbeitsleistungen zu erreichen.
Über arbeitsrechtliche Konsequenzen weist die Personalverwaltung besonders bei sogenannten Niedrigleistenden nur in "Vier-Augen-Gesprächen" hin. Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass Beschäftigte oftmals keinen Einfluss auf die Erfüllung von Zielvorgaben haben, weil Unternehmensziele verwendet werden, und die Interpretation von "angepassten" Verhaltensweisen ebenso Willkür zulässt.
Reports für Führungskräfte
Zusätzlich dürfen Reports erstellt werden: "Die Individualdaten für den einzelnen Mitarbeiter, die im Rahmen des Integrierten Talent Managements erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, dürfen im Rahmen der Regelungen der Betriebsvereinbarung zur Leistungs- und/oder Verhaltenskontrolle herangezogen werden." Explizit wird im Berechtigungskonzept auf die Einhaltung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) hingewiesen und "Der Arbeitgeber stellt durch geeignete Maßnahmen sicher, dass die Vorgaben im Berechtigungskonzept eingehalten und von den Berechtigten nicht durch die Weiterleitung von Informationen an nicht Berechtigte unterlaufen werden." Wird dies für die in Deutschland beschäftigten Kollegen mit einem Management außerhalb Deutschlands hundertprozentig eingehalten? Gegenteiliges wird von Beschäftigten berichtet.
In der Vereinbarung zum "Mitarbeiterentwicklungsgespräch" wird die Zielsetzung wie folgt festgelegt: "Ziel ist es Mitarbeiter bei SAP in ihrer beruflichen Weiterentwicklung individuell zu fördern, damit sie ihre Stärken und Fähigkeiten bestmöglich für SAP einsetzen können." "Zudem soll den Mitarbeitern die Möglichkeit eingeräumt werden durch die Darstellung ihrer Karriereziele, Stärken und Feedback innerhalb ihrer jeweiligen Organisation entlang der Berichtslinie wahrgenommen zu werden. Bei der Datenerfassung wird der Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass diese freiwillige Datenerfassung für alle Führungskräfte innerhalb der Berichtslinie sichtbar sein kann." In einer "individuellen Standortbestimmung" kann der Beschäftigte seine persönliche und berufliche Situation - beispielsweise Problemstellungen, aktuelle (Un-)Zufriedenheit und "gesundheitliche Situation und gesundheitliche Einschränkungen" - besprechen.
Die Erfahrung zeigt, dass beim Bereitstellen von persönlichen Informationen immer Vorsicht geboten ist. Allein die Aussage "Ich fühle mich schon länger nicht mehr fit." kann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen. Von einer Weitergabe intimer, persönlicher und gesundheitlicher Daten ist daher ausdrücklich abzuraten.
Hobby-Psychologen beurteilen Mitarbeiter
Beim Thema Potenzialbeurteilung soll das "Entwicklungspotenzial des Mitarbeiters" bewertet werden, denn es ist "entscheidend für die Geschäftsentwicklung des Unternehmens". "Eine hohe Potenzialeinschätzung spiegelt die Überzeugung wider, dass der Mitarbeiter die Fähigkeit und den Wunsch hat, mehr Verantwortung zu übernehmen und in der Lage ist, neue komplexere Herausforderungen früher und effektiver zu meistern als andere ..." Anders ausgedrückt: Die Beschäftigten sollen in einer entgrenzten beziehungsweise grenzenlosen sogenannten Vertrauensarbeitszeit noch mehr arbeiten und leisten.
Als Bewertungslevel gelten beispielsweise:
Standard Wachstumspotenzial:
"Das Verhalten des Mitarbeiters spiegelt einige, aber nicht alle Potenzialindikatoren wider."
Beschleunigtes Wachstumspotenzial:
"Das Verhalten des Mitarbeiters spiegelt die Potenzialindikatoren wider und weist keine unerwünschten Verhaltensweisen auf.", "Der Mitarbeiter zeigt einige Verhaltensweisen und Fähigkeiten, die auf der nächsthöheren
Ebene erwartet werden.", "Der Mitarbeiter zeigt ein vorbildliches Verhalten in Bezug auf die SAP-Werte auf."
Sehr schnelles Wachstumspotenzial:
"Das Verhalten des Mitarbeiters spiegelt die Potenzialindikatoren in einem außergewöhnlichen Maße und in einer Vorbildfunktion wider und weist keine unerwünschten Verhaltensweisen auf." , "Der Mitarbeiter hat die
Motivation und Fähigkeiten eine Rolle mit weit größerer Verantwortung innerhalb kürzerer Zeit zu übernehmen.", "Der Mitarbeiter gilt als Vordenker und Vorbild in seiner Funktion.", Der Mitarbeiter zeigt ein
vorbildliches Verhalten in Bezug auf die SAP-Werte."
Unerwünschte Eigenschaften sind zum Beispiel Langsamkeit, konventionelles Denken oder "kann nicht mit unterschiedlichen Aufgaben umgehen". Es gilt allein die Fähigkeit von Veränderungsbereitschaft und Flexibilität. So wie es in nordamerikanischen Ratgebern vielfach geschrieben steht. Die Fähigkeiten der Beschäftigten soll die jeweilige Führungskraft bewerten, wobei nicht beschrieben ist, wie er oder sie in einer Kultur permanenter Reorganisationen und einer geringen "Halbwertzeit" eines Mitarbeiters bei einem Manager, eine professionelle und differenzierte Bewertung umsetzen soll. Der Gedanke, dass Führungskräfte sich als "Hobby-Psychologen" betätigen, erweckt mehr als ein Unbehagen.
Nicht zu vergessen ist die erforderliche Qualifikation einer jahrelangen Ausbildung von Führungskräften im Terrain der Potenzialeinschätzung. In einem Modell einer Leistungs- und Potenzialmatrix soll die Führungskraft sozusagen zwischen "Niedrigleistern" und "Topleistern" (ver)urteilen. Die Einstufung ähnelt einer Produkt-Matrix nach "Cash Cow", "Dogs" und "Stars" und wird nun auf den Menschen übertragen. Dies ist menschenentwürdigend.
Beschäftigte sollen sich "profilieren"
Die Vereinbarung zur Ressourceneinsatzplanung lässt den Verdacht einer weiteren Rationalisierungs- und Beschleunigungsmethodik aufkommen: Es soll die Qualität der Projektbesetzung sowie die Durchlaufzeiten verbessern, mehr Transparenz über die vorhandenen personalen Projektressourcen aufzeigen und Einblick über das benötigte Fachwissen sowie die Auslastung verschiedener Ressourcen-Typen schaffen. Das Erstellen von Profilen der Beschäftigten soll das Individualisieren und Flexibilisieren vorantreiben: "People Profile ist eine interne Informationsplattform, die es Mitarbeitern, Leiharbeitnehmern und externen Mitarbeitern/Dienstleistern ermöglicht, sich gegenseitig zu identifizieren und zu kontaktieren."
Nicht zu vergessen ist folgende Anmerkung: "Vom Mitarbeiter gepflegte Inhalte im People Profile können ihm nicht zum Nachteil gereichen, sofern der Inhalt nicht gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt." Die Praxis zeigt jedoch, dass eine Kontrolle dessen schwer möglich ist. Oder was passiert mit Beschäftigten, die kein Wachstumspotenzial aufzeigen, sich nicht im "People Profile" über sich äußern wollen, nur 100 Prozent Leistung erbringen (wollen) oder seit Jahren keine Weiterbildung erhalten haben?
Kehrseite der Personalinstrumente
Üblicherweise wird eine Personal-Software zum Optimieren von Prozessen im Personalwesen oder schlicht und einfach für das Verwalten von Daten der Beschäftigten verwendet. Oder zeigt die Entwicklung der letzten Jahre auf, dass es sich mehr um ein Instrument für eine fremdbestimmende, entgrenzende Software zur maximalen Optimierung der Arbeitskraft mit dem Anspruch "Hol noch mehr aus dir heraus", "Gib immer dein Maximum" oder "Sprinte im Hamsterrad ohne Pause" handelt?
Die software-unterstützten Instrumente der Personalverwaltung - wie analysieren und rationalisieren, messen und bewerten, überwachen und kontrollieren - dienen nicht nur zur Unterstützung von Produktivität. Bei SAP ist dies zum Beispiel mit der maßlos gesetzten 35 Prozent Gewinnmarge, die bis im Jahr 2015 erreicht werden soll, verbunden. Es gab bereits das 13. Quartalsergebnis mit zweistelligen Wachstumsraten. Worauf der amerikanische Vorstandssprecher zum ersten Quartalsabschluss 2013 die provokante Frage an die Beschäftigten richtete: "Wollt ihr für ein Wachstumsunternehmen arbeiten?" Für den teuersten DAX-Vorstand soll es bei Erreichen der Ziele im Jahr 2015 einen 100 Millionen Extra-Bonus zusätzlich geben. Die "soziale Schere" wird somit seit Jahren im Sinne neoliberalen Denkens wenig nachhaltig umgesetzt. Es zählt allein der ökonomische Erfolg der Kapitaleigner und des Managements. Ein Arbeiten ohne Tempolimit und ohne Grenzen.
Doch wer zahlt für diese "Hochgeschwindigkeits- und Höchstleistungskultur" den Preis für die Maximierung von weltweit vernetzten Wertschöpfungsketten? Die verheerende Wirkung zeigt sich mehr als deutlich im "Gesundheitsverlust" bei 17.000 festangestellten SAP-Beschäftigten in Deutschland: Über 1.000 Langzeiterkrankte - zumeist mit sozialen und psychischen Belastungsfaktoren - in betrieblichen Eingliederungsmaßnahmen im Jahr 2012 sprechen eine deutliche und zugleich erschreckende Sprache.
Doch eine Änderung ist nicht in Sicht - wie die beschriebenen Personalinstrumente aufzeigen. Gespräche und Verhandlungen zu einer Betriebsvereinbarung "Gefährdungsbeurteilung" werden bereits seit über eineinhalb Jahren geführt. Keine Beachtung finden Studien, Erkenntnisse aus Untersuchungen und längst vorliegende konkrete Handlungsempfehlungen. Außer einer inszenierten Betroffenheit. Von einer Entschleunigung kann nicht die Rede sein, denn weiterhin werden Beschäftigte als Modell "autistischer Leistungsmaschinen" betrachtet. Jeder hat als "Ressource" zu funktionieren und sich dementsprechend zu verhalten. Denn in einer Kultur des Leistungs- und Erfolgszwangs zählt nur das Ergebnis.
Personaldaten in der Cloud
Ist die "Cloud" eine "grüne Technologie"? Zum Beispiel soll Cloud Paas (> Platform as a Service) verwalten, verteilen und das Nutzen von Ressourcen steuern. Es wird behauptet, dass es billiger sei. Der Energieverbrauch soll niedriger sein, doch gibt es die Gefahr einer "Rechnerkernschmelze" wegen mangelnder Kühlung? Oder wird "schmutziger" Strom verwendet? Es stellen sich Fragen nach der Sicherheit der Daten: Sind sie vollkommen gesichert vor "Hackerangriffen"? Wer hat Zugriff? Werden Daten mit anderen Daten vermischt? Wird heimlich ausgewertet und berichtet? Verschwinden oder implodieren Daten? Da kann schonmal der Laptop geklaut werden, die Daten sind ja in der "Wolke", aber vielleicht doch noch auf der Festplatte? Wem gehören die Daten, wenn sie in Nordamerika auf Servern liegen? Wer hat welche Berechtigungen? Wo sind die Grenzen unserer Grundrechte? Wenn Personaldaten in der Cloud verwaltet werden, sehen das die meisten berechtigterweise immer noch als sehr kritisch an. Denn das Auslagern von Daten bedeutet einen Kontrollverlust, wenn die Daten bei fremden Rechnern in Obhut Dritter sind.
Cloud-Betreiber unterliegen zum Beispiel in den USA dem US-amerikanisches Recht und dem Anti-Terrorgesetz "Patriot Act", das bei Telefon- und Internetüberwachung den amerikanischen Diensten deutlich erweiterte Abhörrechte einräumt. Diese Unternehmen müssen auch dann Daten an die US-Behörden ausliefern, wenn sie sich auf Servern etwa in Deutschland befinden.
Echte Vertrauenskultur statt Kontrollkultur
Bindung, Vertrauen und Loyalität gegenüber dem Unternehmen stehen dem Missbrauch und der Ausbeutung der Beschäftigten als Gegenkräfte gegenüber. Bei fehlendem Vertrauen wird als Ersatz eine Kultur der Kontrolle, Macht und Privilegien zelebriert. Kontrolle wird jedoch fehlende Solidarität und verringertes Vertrauen nicht wieder herstellen können.
Ein Dilemma bleibt immer bestehen: Während außerhalb Deutschlands "global" Prozesse ohne Mitbestimmungs- und -wirkungsrechte der Beschäftigten "ausgerollt" werden, erhöht sich der Druck auf die Betriebsratsgremien. Wie meinte ein Kollege: "Die Daumenschrauben werden weiter angezogen." Die Grenzen der Belastbarkeit der Beschäftigten sind längst überschritten. Es zählt jedoch: exzessives Wachstum, permanenter, übertriebener Wandel, übermächtige, autoritäre Führung und egomanische Erfolgskultur.
Sind Personalentwicklungsinstrumente Spukgestalten eines entfesselten Kapitalismus? Aus den USA schwappen unendlich viele Ratgeber zur Selbstoptimierung und Selbstvermarktung, zur "persönlichen Performance", ein - so auch zahlreiche, hoch bezahlte Berater ideologischer Prägung bei der Einführung der neuen HR-Software. Der arbeitende Mensch gilt als Model(l), als "Best-Practice", als "Homo oeconomicus" oder als "Show Case". Vordefinierte "Profile" mit den Kompetenzen und Verhaltensregeln mit zahlreichen Feldern der Verbesserung seiner Selbst als Arbeitskraft, als Funktion, als Ressource inklusive einer "Upgrade"-Funktion zum imaginären "Selbstunternehmer" oder "Alleinarbeitskraftunternehmer". Sie müssen permanent "upgraden", sich andauernd beweisen, um im betrieblichen Wettbewerb bestehen zu können. Dazu wird ein Umfeld von Unsicherheit als Mittel zur Leistungerhöhung geschaffen und im betrieblichen Alltag permanente Flexbilität des Einzelnen gefordert.
Fazit
Die Unzufriedenheit der Beschäftigten und der Druck auf jeden Einzelnen mit vorgegebenen, beschleunigten Prozessen werden sich nicht verringern. Eine Anti-Stress-Verordnung für bessere, menschenorientierte Arbeitsbedingungen kann die negativen Wirkungen auf unsere Gesundheit stoppen. Denn der "seidene Faden" ist längst gerissen. Sanktionen gegenüber den Verantwortlichen müssen gesetzlich verankert werden. Der Bosch-Betriebsrat Hans-Peter Kern bringt es auf den Punkt: "Die Novellierung und eine Anti-Stress-Verordnung würden die Basis dafür legen, dass die Betriebsräte überhaupt systematisch mit den Unternehmensleitungen über das Thema Stress verhandeln können. Dann erst hätten wir die Möglichkeiten, breite Verbesserungen durchzusetzen."
Autor
Ralf Kronig, Betriebsratsmitglied und Personal-/Organisationsentwickler bei SAP AG, ralf.kronig@sap.com, mehr Informationen unter www.sapler.igm.de
Lexikon:
Platform as a Service (PaaS) > Plattformen im Internet (in der "Cloud") zum Online-Entwickeln von Web-Anwendungen und zum Betrieb von Anwendungen
Auf der Internetseite von SuccessFactors wird propagiert, dass jährlich 5 bis 10 Prozent der Beschäftigten "gefeuert" werden sollten:
www.successfactors.com/blogs/business-execution/stack-ranking-employees-works/
www.businessballs.com/people_performance_potential_model.htm
Beck/Kronig, Work-Life-Balance bei SAP, in: CuA 9/2012, 23 ff; weitere Infos auch unter www.sapler.igm.de
Siehe dazu Brandt, Cloud Computing, in: CuA 12/2012, 23 ff. (24)
(Veränderte Version aus: CuA, 07/08-2013)