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Kommentar: Frauen in die IT

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15.10.2013 - aber nicht mit falschen Argumenten. Wie sieht es bei SAP aus? Ein Beispiel.

"Das ökonomische Argument erweist der Sache "Gleichberechtigung" einen Bärendienst. Richtig ist die politische oder, wenn man so will, moralische Begründung: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Also gehört derselbe Anteil Frauen wie Männer in die ITK-Branche und natürlich auch in deren Führungsetagen - so wie umgekehrt Männer in den sozialen Sektor. Bei brauchbarer Kinderbetreuung, ordentlicher Bezahlung und Sozialleistungen sollte es kein Problem sein, genügend Interessenten jedweden Geschlechts zu finden."

Beispiel SAP:

Viele Kolleginnen sind sehr unzufrieden mit dem Stand der Emanzipation, dies zeigt eine aktuelle Studie des Allensbach-Instituts auf. Hauptkritikpunkt und Grundproblem ist die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Zum Beispiel gibt es große Skepsis, ob sich überhaupt der Wunsch nach beruflicher Selbstverwirklichung mit einem Kind erfüllen lässt. Ein sehr hoher Prozentsatz möchte gerne Kinder bekommen, erkennt aber, dass das schwierig umzusetzen ist und sie dann unter erschwerten Bedingungen leben und arbeiten.

"Gender-Pay-Gap"

Männer bleiben meistens im Job, denn ausschlaggebend ist ganz oft das Gehalt. Wie stellt sich das "Gender-Pay-Gap" dar? Im Durchschnitt verdienen in Deutschland Frauen 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Umgerechnet aufs Jahr bedeutet das: Männer müssen für das, was Frauen verdienen, pro Jahr 55 Tage weniger arbeiten. Der Durchschnittsmann hat daher am 11. Oktober so viel Geld wie die Durchschnittsfrau am Ende des Jahres.

Wie groß die Verdienstlücke in ihrem Betrieb ist, können Betriebsräte anhand der Entgeltlisten ermitteln. Der Arbeitgeber muss ihnen die Informationen geben. Denn Betriebsräte müssen darauf achten, dass Gesetze zugunsten der Beschäftigten eingehalten werden. Dazu gehört das Recht auf gleiche Bezahlung. Betriebsräte haben das Recht, die Listen einzusehen. Aushändigen muss sie der Arbeitgeber nicht.

Die Listen können Hinweise geben, warum Frauen weniger verdienen. Betriebsräte stellen oft fest, dass Frauen in unteren Gehaltsgruppen häufiger vertreten sind als in den oberen. Auch bei SAP. Das kann an unterschiedlichen Qualifikationen liegen oder daran, dass Frauenarbeiten niedriger bewertet oder Frauen weniger gefördert werden.

Frauen kommen kaum aus der Misere heraus, da ihnen vermittelt wird, dass sie selbst für ihr Schicksal verantwortlich sind, daher haben sie den Druck, alles selbst regeln zu müssen. "Die Wirtschaft" sieht es natürlich entsachlicht: Das "Humankapital" sollte nicht verschwendet werden. Doch es fehlen die geeigneten Rahmenbedingungen für ein "Pendeln" zwischen Familie und Beruf in einer männlichen, betrieblichen Monokultur und einer problematischen Struktur marktradikaler Wirtschaftsweise, die auf Asymmetrien im Geschlechterverhältnis basiert, umfassend mit Blick auf Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Allein eine Quote ersetzt nicht notwendige Massnahmen.

Immer flexibel sein

Der Arbeitszeit kommt eine Schlüsselrolle bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu. Mehr Zeitsouveränität, um das Privatleben gut organisieren zu können, ist dafür eines der wichtigsten Anliegen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das besagt ein Ergebnis einer aktuellen IG Metall-Befragung mit über einer halben Million Beschäftigten aus 8.400 Unternehmen.

Berufstätige Menschen leben in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen: Singlehaushalte oder Patchworkfamilien, Familien mit nur einem Hauptverdiener oder Paare, die beide berufstätig sind. Zudem steigt die Zahl der erwerbstätigen Frauen. Daher werden auch die Familienaufgaben unterschiedlich bewältigt - oft unter großem Zeitdruck und für alle Beteiligten sehr belastend.

In der einen Familie geht es darum, Kinder zu betreuen, in einer anderen ist es die Pflege von Angehörigen. Dafür braucht es die Unterstützung der Arbeitgeberin.
Dem entgegen steht die Anforderung vom SAP-Management nach mehr Flexibilität.

Kürzlich sendete ein SAP-Vorstand ein Email mit der Forderung, doch Tag und Nacht zu arbeiten. Alles "Schall und Rauch". Dadurch kommt der Arbeitszeit und Arbeitszeitgestaltung eine immer wichtigere Rolle zu. Eine geregelte Arbeitszeit ist der zentrale Schlüssel für eine gute Vereinbarkeit von Job und Familie bzw. Privatleben. Das sagen 77% der Beschäftigten. Diese Beschäftigten wünschen sich eine geregelte Arbeitszeit mit klar festgelegtem Beginn und Ende.

Mehr zeitliche selbstbestimmte Flexibilität wünschen sich 82%. Konkret wollen diese, dass es möglich ist, die tägliche Arbeitszeit kurzfristig den privaten Bedürfnissen anpassen zu können.

Teilzeit ist nicht Teilzeit

Ungleichbehandlung erleben Frauen nicht nur in der Gesellschaft, Ungleichbehandlung erleben sie auch im Unternehmen: Frauen haben schlechtere Aufstiegschancen und oftmals schlechtere Arbeitsbedingungen. Bei SAP sind Teilzeitkräfte hauptsächlich weiblich. Das hat sicherlich oft familiäre Hintergründe. Auf den Hochglanzbroschüren und in den Medien kann man immer wieder nachlesen, dass SAP klar für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht, nur leider sieht das in der gelebten Praxis widersprüchlich aus: Niedrigere Bezahlung als ihre männlichen Kollegen, Stress wegen flexiblen Arbeitseinsatzes, diskriminierende Anmache, Forderungen nach permanenter Erreichbarkeit, unterdurchschnittlichere Leistungsbewertung, so lauten die Kolleginnen-Klagen. Obendrein müssen sie sich auch noch Beschimpfungen wie "Rabenmutter" oder "die will doch eigentlich gar nicht arbeiten" anhören. Einige Aussagen von Betroffenen belegen die Schieflage und den Mangel an "Leitplanken" bei SAP:

I. "Teilzeit ist wirklich kein Vergnügen. Als Vollzeitkraft hatte ich viel mehr Freiräume und musste nicht immer unter Dauerstress arbeiten ... und für Weiterbildung habe ich keine Möglichkeiten, da wird nur gesagt "kein Budget" ... "

II. "Meine vier Stunden sind extrem vollgepackt, da muss ich manchmal Abends sozusagen nacharbeiten. Dafür gibt's dann nicht mal eine angemessene Anerkennung. Hauptsache die Kundenmeldungen sind asap abgearbeitet, da schaut niemand auf meine wirkliche Arbeitszeit. Mein Management belächelt Teilzeitler nur abfällig. Wenn die zu Hause genauso mit ihren Partnerinnen umgehen ... Das ist doch eine klare Diskriminierung."

III. "Bezahlt werde ich viel schlechter als meine männlichen Kollegen mit denselben Aufgaben. Das sehe ich auf der Gehaltsabrechnung meines Partners, der auch bei SAP arbeitet."

IV. "Der Preis für meine Karriere als Teilzeitkraft ist sehr hoch. Andauernd stehe ich zwischen den Anforderungen im Job und den Verpflichtungen für meine Familie. Mein schlechtes Gewissen gegenüber der Familie, mein schlechtes Gewissen gegenüber den Kollegen. Ich habe mich entschieden: für die Familie, gegen die Karriere."

V. "Als alleinerziehender Vater habe ich eigentlich feste Arbeitszeiten, aber oft komme ich unter Zeitdruck, weil kurzfristig etwas reinkommt und es sofort bearbeitet werden soll. Zu Hause wartet inzwischen mein Kind vor der Haustür, das stresst mich total."

VI. "Jetzt soll ich einen Abfindungsvertrag unterschreiben, weil man nicht mehr weiß, wo ich eingesetzt werden soll. Ich vermute jedoch, dass ich als alleinerziehende Mutter mit meiner zeitlichen Einschränkung und weil ich nicht permanent erreichbar bin, gehen soll. In meinem Bereich sollen Kosten gespart werden."

VII. "Als junge Mutter habe ich gerade gekündigt. Meine neue Personalmanagerin meinte, dass sie mich nicht braucht, obwohl ich seit mehr als zehn Jahren in dem Bereich arbeite. Der Druck wurde mir zu groß. Ich gebe auf. Ich bin nicht die einzige Kollegin."

VIII. "Als Teilzeitkraft bekommt man in der Regel den "Restmüll" für den sich die Vollzeitkollegen zu schade sind. Projekte, die lukrativ sind und für Sichtbarkeit sowie Aufstiegsmöglichkeiten sorgen, werden lediglich an (männliche) Seilschaften vergeben."

Auch bei SAP ist Teilzeit ein Feld für Niedriglohnbeschäftigte, nicht nur weil der reale Stundenlohn durch unbezahlte Überstunden bei Abend-, Nacht- und Wochenendarbeit erschreckend niedrig ist.

Neben der Verwirklichung von Chancengerechtigkeit müssen wir besonders die Verteilungsgerechtigkeit im Blick behalten. Soziale Gerechtigkeit heißt aber auch Möglichkeiten der Weiterbildung und Weiterentwicklung sowie qualitativer Arbeit für alle - und eine Teilhabegerechtigkeit, also die persönliche Freiheit in Form von Selbstbestimmung anstatt autoritärer Fremdbestimmung. Ein Scheitern ist oftmals vorprogrammiert:

Eine aktuelle TK-Bericht zeigt, dass vor allem diejenigen unter psychischen Belastungen leiden, die befristet, in Teilzeit oder in Leiharbeit beschäftigt sind, sowie diejenigen, die durch Familie und Beruf mehrere Rollen gleichzeitig ausfüllen müssen. Auch wurde festgestellt, dass viele Beschäftigte nicht freiwillig in Teilzeit arbeiten, sondern weil ihnen nicht mehr angeboten wird oder weil sie eine längere Arbeitszeit nicht mit ihren familiären Verpflichtungen vereinbaren können.

Alles nicht unbekannt in der SAP-Arbeitswelt.

Letzte Änderung: 14.10.2013

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